Oscars_Stage_Arturo Holmes_Getty Images

Diese 7 Regisseurinnen waren für einen Oscar nominiert

Beitrag von Christopher 24.03.2022 9 Minuten 0

Seit 1929 werden in Los Angeles die begehrten Academy Awards verliehen. Und doch haben es in all den Jahren lediglich sieben Filmemacherinnen auf die Liste der Nominierten für die beste Regie geschafft. Männer dominieren und dominierten das Geschehen, obwohl es gewiss ein paar mehr auszeichnungswürdige Frauen gibt und gab. Anlässlich von Jane Campions diesjähriger zweiter Oscar-Chance für ihr Westerndrama «The Power of the Dog» wollen wir das Scheinwerferlicht auf die gebürtige Neuseeländerin und ihre sechs Mitstreiterinnen legen, von denen zwei, Kathryn Bigelow und Chloé Zhao, am Ende sogar den begehrten Goldjungen mit nach Hause nehmen durften.

Übrigens: Die Teleboy-Redaktion hat Dir eine eigene Themenwelt mit oscarprämierten Filmen zusammengestellt. Mehr dazu weiter unten.

Lina Wertmüller mit «Sieben Schönheiten» (1975)

Als erste Frau überhaupt durfte sich die Italienerin Lina Wertmüller über eine Oscar-Nominierung für ihre Regieleistung bei «Pasqualino Settebellezze» freuen. Ihre Karriere hatte die Römerin im Theaterumfeld begonnen, kam über die Freundschaft zu Schauspielstar Marcello Mastroianni und seiner Frau Flora Carabella aber mit dem Filmgeschäft in Kontakt und sammelte als Regieassistentin wichtige Erfahrungen am Set von Federico Fellinis surrealem Meisterwerk «8 ½» (1963). Noch im selben Jahr legte Wertmüller mit «I Basilischi», einer semidokumentarischen Arbeit über den verarmten Süden Italiens, ihren ersten eigenen Film vor.

Von Anfang an spielten politische und ökonomische Aspekte in ihrem Schaffen eine bedeutende Rolle. Fast immer kamen etwa ihre feministischen Haltungen zum Ausdruck. Grosse Aufmerksamkeit brachte ihr der eigenwillige Genremix «Pasqualino Settebellezze» ein, der mit den Mitteln der Groteske von einem Mann (Giancarlo Giannini) erzählt, den es während des Zweiten Weltkriegs in ein Konzentrationslager verschlägt. Dort tut er alles, um zu überleben. Neben der Nominierung für die Regiearbeit stand der Film bei der Oscarverleihung 1977 auch in den Kategorien «Bester Hauptdarsteller», «Bestes Originaldrehbuch» und «Bester fremdsprachiger Film» auf dem Zettel. Zwar blieb Wertmüller damals eine Auszeichnung verwehrt, 2019 wurde der 2021 verstorbenen Filmemacherin allerdings ein Ehren-Oscar verliehen.

Jane Campion mit «Das Piano» (1993) und «The Power of the Dog» (2021)

Die 1954 in Wellington geborene Jane Campion, die vor ihrer Regieausbildung Malerei studiert hatte, sorgte schon mit ihren ersten Kurzfilmen für Aufsehen. Dass sie sich in ihrer Arbeit stark für Genderbelange und weibliche Perspektiven interessiert, zeigte das 1993 veröffentlichte Drama «Das Piano» auf anschauliche Weise. Geht es darin doch um eine stumme, klavierbegeisterte Schottin (Holly Hunter), die Mitte des 19. Jahrhunderts nach Neuseeland zu ihrem noch unbekannten zukünftigen Gatten (Sam Neill) kommt und sich durch eine verbotene Liebesbeziehung aus der vom Vater eingefädelten Ehe befreit. Der in betörende Bilder gekleidete, fulminant gespielte, in Cannes mit der Goldenen Palme prämierte Film brachte Jane Campion bei der Verleihung der Academy Awards im Jahr 1994 nicht den Regie-Oscar ein. Entgegennehmen durfte sie dafür aber den Preis für das beste Originaldrehbuch. Weitere Auszeichnungen gab es in den Kategorien «Beste Hauptdarstellerin» und «Beste Nebendarstellerin» (Anna Paquin).

Gleich 12-mal ist «The Power of the Dog» mit Benedict Cumberbatch bei der diesjährigen Oscarverleihung nominiert. © Elite Film

In jüngerer Zeit liess die neuseeländische Filmemacherin mit ihrer hochgelobten Krimiserie «Top of the Lake» aufhorchen, in der Elisabeth Moss als auf Sexualdelikte spezialisierte Ermittlerin zu sehen ist. Mit der Romanverfilmung «The Power of the Dog», die seit Ende 2021 zum Netflix-Portfolio gehört, gelang Campion ein weiterer spektakulärer Wurf. Der Spätwestern handelt von einem ungleichen Brüderpaar (Benedict Cumberbatch und Jesse Plemons), das im Jahr 1925 eine Ranch in Montana bewirtschaftet, und beschreibt die Ereignisse, nachdem der Zurückhaltende der beiden eine Witwe (Kirsten Dunst) geheiratet hat. Ein von starken Darstellern getragener Film, der das Männlichkeitsbild des Genres hinterfragt und bei der Oscarverleihung 2022 die Liste der Nominierten mit satten zwölf Einträgen anführt. Zum zweiten Mal hat die Regisseurin die Chance, den Preis für die beste Inszenierung einzustreichen. Verdient hätte es Jane Campion zweifellos.

Sofia Coppola mit «Lost in Translation» (2003)

Sofia Coppola, die Tochter der New-Hollywood-Legende Francis Ford Coppola, startete ihre Karriere mit einigen Schauspieljobs. Für grosse Ablehnung bei den Kritikern sorgte ihre Darbietung in «Der Pate 3» (1990), wo sie ihrem Vater aushalf und kurzfristig die eigentlich vorgesehene Winona Ryder ersetzte. Nennenswert in Erscheinung trat sie als Darstellerin im Anschluss nicht mehr, sondern wechselte den Platz und ging hinter die Kamera. Bereits ihr Erstling «The Virgin Suicides» (1999) erhielt breite Zustimmung.

Gewann 2004 den Oscar für das beste Originaldrehbuch: «Lost in Translation» mit Bill Murray und Scarlett Johansson. © Cineman

Auf das Debüt folgte mit dem klugen, melancholischen, nachdenklich stimmenden Drama «Lost in Translation», das zwei mit sich und ihrer Situation hadernde US-Amerikaner (Scarlett Johannsson und Bill Murray) in Tokio zusammenführt, eine echte Perle. Während Coppolas Nominierung für ihre Regiearbeit bei der Oscar-Verleihung 2004 nicht vergoldet wurde, erhielt die damals noch junge Filmemacherin den Award für das beste Originaldrehbuch. Dass sie zu den spannenden Stimmen ihrer Generation gehört, stellte sie auch im Anschluss unter Beweis. Werke wie «Somewhere» (2010), «The Bling Ring» (2013) und «Die Verführten» (2017) reichen vielleicht nicht an «Lost in Translation» heran, werfen aber interessante Fragen auf: zum Wesen der Prominenz und zum Verhältnis der Geschlechter.

Kathryn Bigelow mit «Tödliches Kommando – The Hurt Locker» (2008)

Schon früh in Kathryn Bigelows Regiekarriere zeichnete sich ab, dass sie von Männern dominierten Genres ihren eigenen Stempel aufdrücken wollte. So verpasste sie dem Vampirkino gleich mit ihrem zweiten Spielfilm «Near Dark – Die Nacht hat ihren Preis» (1987) einen frischen Anstrich. Anschliessend spielte sie in «Blue Steel» (1990), «Gefährliche Brandung» (1991) und «Strange Days» (1995) mit unterschiedlichen Thriller-Varianten und liess ein ausgeprägtes Gespür für Actioninszenierungen erkennen.

Unter anderem für die beste Regie und den besten Film prämiert: «Tödliches Kommando – The Hurt Locker». © Elite Film

Ihren Höhepunkt fand diese Entwicklung im Irakkriegsdrama «Tödliches Kommando – The Hurt Locker», das zunächst bloss nach furiosem Testosteronkino aussieht, sich jedoch intensiv mit den psychologischen Auswirkungen des gefährlichen Auslandseinsatzes befasst. Lohn der harten Arbeit an diesem Film waren sechs Oscar-Statuen, darunter auch ein Goldjunge für die beste Regie. Ein historischer Triumph, immerhin durfte seit der ersten Verleihung im Jahr 1929 erstmals eine Frau eben diesen Award in die Höhe recken. Ihre Fähigkeit, politische Relevanz mit Actionwucht zu kombinieren, demonstrierte Bigelow auch in ihren folgenden abendfüllenden Spielfilmen «Zero Dark Thirty» (2012) und «Detroit» (2017).

Greta Gerwig mit «Lady Bird» (2017)

Ihre ersten Schritte machte die im kalifornischen Sacramento geborene Greta Gerwig in der sogenannten Mumblecore-Bewegung, einer Szene unabhängiger Filmemacher, deren Werke sich durch geringe Produktionsbudgets, improvisierte Dialoge und eine unspektakuläre Optik auszeichnen. Internationale Bekanntheit erlangte sie dank ihrer schauspielerischen Darbietungen in den von ihrem heutigen Partner Noah Baumbach inszenierten Tragikomödien «Greenberg» (2010) und «Frances Ha» (2012). An Letzterer wirkte sie auch als Drehbuchautorin mit. Nachdem Gerwig bereits 2008 zusammen mit Joe Swanberg den Film «Nights and Weekends» vorgelegt hatte, lieferte sie 2017 mit «Lady Bird» ihre erste komplett eigenständig realisierte Regiearbeit ab.

Auch die Hauptdarstellerin war nominiert: Saoirse Ronan in «Lady Bird». © Universal Pictures International Switzerland

Ein von persönlichen Jugenderlebnissen inspiriertes Werk, das sich um eine eigenwillige Schülerin (Saoirse Ronan) dreht, die ihre verhasste Heimatstadt Sacramento so schnell wie möglich zum Studieren verlassen will. Für das zwischen dramatischen und komischen Momenten geschickt hin- und herpendelnde, in der Hauptrolle wunderbar nuanciert gespielte Teenagerstück gab es bei der Oscar-Verleihung 2018 fünf Nominierungen. Einen Preis für ihre feinfühlige Inszenierung erhielt Gerwig leider nicht. Gespannt sein darf man schon jetzt, wie sich die aus dem Independent-Bereich kommende Regisseurin und Autorin in ihrem nächsten Film der berühmten Spielzeugfigur Barbie, dem Inbegriff der schönen Oberflächlichkeit, nähern wird.

Emerald Fennell mit «Promising Young Woman» (2020)

Wie einige andere Kolleginnen in dieser Liste auch startete die Britin Emerald Fennell ihre Filmkarriere als Schauspielerin. Erfahrungen als Drehbuchautorin sammelte sie im Rahmen der Spionageserie «Killing Eve» (2019). 2020 legte sie mit dem schwarzhumorigen, selbst geschriebenen Thriller «Promising Young Woman» ihr abendfüllendes Regiedebüt vor und lieferte damit einen bissigen Kommentar zu der 2017 aufgekommenen #MeToo-Debatte ab. Carey Mulligan spielt im Film eine junge Frau, die durch die Vergewaltigung einer Studienfreundin den Halt verliert und einen perfiden Rachefeldzug plant.

Ausgezeichnet für das beste Originaldrehbuch: «Promising Young Woman». © Universal Pictures International Switzerland

Selten hat man in den letzten Jahren im Kino eine weibliche Figur gesehen, die komplexer und im positiven Sinne widersprüchlicher ist als Fennells Protagonistin. Kein Wunder, dass sie bei der Oscar-Verleihung 2021 die Auszeichnung für das beste Originaldrehbuch erhielt. Mit dem Preis für die beste Regie hat es trotz Nominierung nicht geklappt. Den Namen Fennell sollte man sich dennoch merken.

Chloé Zao mit «Nomadland» (2020)

Chloé Zhao steht für ein intimes, ganz bei ihren Figuren und deren alltäglichen Sorgen bleibendes Kino, in dem nicht selten Laiendarsteller abgewandelte Versionen ihrer eigenen Geschichten nachstellen. Für ihr Spielfilmdebüt «Songs My Brothers Taught Me» (2015), ein indigenes Coming-of-Age-Drama, zog es die in China geborene Regisseurin und Drehbuchautorin in ein Reservat in South Dakota, wo sie auch den Protagonisten und Hauptdarsteller ihrer zweiten Arbeit kennenlernte. Der mit viel Fingerspitzengefühl inszenierte und erzählte «The Rider» (2017) bebildert das Schicksal des jungen Pferdetrainers Brady Jandreau (im Film Brady Blackburn genannt), der nach einem schweren Sturz das Reiten aufgeben musste. Allerhand Lob heimste Zhao schon für dieses Werk ein.

Grosser Gewinner an der Oscarverleihung 2021: «Nomadland» mit Frances McDormand in der Hauptrolle. © WDSMPS

Der endgültige Durchbruch gelang ihr dann aber mit dem semifiktionalen Roadmovie «Nomadland» (2020), in dem Frances McDormand eine Witwe spielt, die ihren festen Wohnsitz aufgibt und in die Kultur der modernen Nomaden in den USA eintaucht. Der Film liess Preise regnen und wurde bei der Oscarverleihung 2021 nicht nur als beste Produktion und für die beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet, sondern bekam auch die Trophäe für die beste Regie zugesprochen. Nach Kathryn Bigelow konnte also zum zweiten Mal in der Geschichte der Academy Awards eine Frau diesen Erfolg erringen. Nach dem Triumph wandte sich Zhao in eine für sie komplett neue Richtung und versuchte, ihren persönlichen, unaufgeregten Stil in die Superheldenverfilmung «Eternals» (2021) einzubringen.

Grosses Kino bei Teleboy: Oscar-Themenwelt

Rund um den wichtigsten Film-Preis des Jahres gibt es auch wieder viele hochkarätige, oscarprämierte Filme im Fernsehen zu sehen. Damit Du keinen davon verpasst, haben wir eine Themenwelt für Dich erstellt. Dort findest Du viele Oscargewinner der letzten Jahre und sogar den Schweizer Film «Ala Kachuu – Take and Run», der in diesem Jahr für den Oscar als «Best Live Action Short Film» nominiert ist.

Die Themenwelt zur Oscarverleihung 2022

Übrigens: Man müsste meinen, dass sich die Oscargewinner doch regelrecht an ihren Preis klammern. Die rund 80 verschwundenen Oscars seit 1929 zeigen jedoch, dass dies nicht immer der Fall ist: Die Goldmännchen gingen verloren oder wurden gestohlen. Wer seinen Oscar nicht mehr hat, erfährst Du auf Cineman.


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