Ein Professor sitzt in dem Auto und unterhält sich mit einem Jungen - Szene aus dem Film Zurück in die Zukunft

Vor und zurück – Das Spiel mit der Zeit im Kino

Beitrag von Christopher 18.10.2021 8 Minuten 0

Vergangene Fehler ungeschehen machen, verpasste Chancen doch noch beim Schopfe packen, oder aber einen Sprung in die Zukunft wagen – schon lange träumt der Mensch davon, mit der Zeit zu spielen, das Hier und Jetzt, vielleicht auch nur vorübergehend, einzutauschen gegen eine Reise, die die Gesetze der Kausalität durcheinanderwirbelt. Nicht zuletzt das Kino ist immer wieder Ort derartiger Gedankenexperimente. Anlässlich der Ausstrahlung des australischen Science-Fiction-Thrillers „Predestination“ am 18. Oktober auf 4+ wollen wir einige gelungene Zeitreisefilme kurz beleuchten.

„Der Terminator“ (1984)

Darum geht’s: Aus der Zukunft des Jahres 2029, in der die Menschheit auf einer verwüsteten Erde gegen Maschinenwesen kämpft, wird ein Killer-Cyborg (Arnold Schwarzenegger), ein sogenannter Terminator, in das Los Angeles der filmischen Gegenwart im Jahr 1984 geschickt. Sein Auftrag: Die Ermordung der Kellnerin Sarah Connor (Linda Hamilton), deren noch ungeborener Sohn John einmal den Widerstand gegen die Roboter anführen wird. Die vollkommen überraschte junge Frau erhält unerwartete Unterstützung von dem ebenfalls durch die Zeit gereisten Soldaten Kyle Reece (Michael Biehn).

Meisterwerk des Action-Sci-Fi-Kinos: Anders als der zweite „Terminator“-Film ist das Ursprungswerk erzählerisch nicht allzu komplex. Die ungemein griffige Prämisse, die das Ende der Menschheit möglich erscheinen lässt, treibt allerdings die Spannung gleich nach oben. Zum Klassiker avancierte James Camerons zweite abendfüllende Regiearbeit nicht nur wegen ihrer krachend-dynamischen, handgemachten Actionsequenzen und der Geburt einer neuen zupackenden Heldin in der Tradition der „Alien“-Protagonistin Ellen Ripley. Zum Kult erhoben wurde der intensive, eine beklemmende Stimmung erzeugende Streifen auch, weil Muskelmann Arnold Schwarzenegger eine perfekt auf seine Rolle als Maschine abgestimmte monotone Performance abliefert. Mit seinem herrlichen Oneliner „I’ll be back“ dürften selbst Menschen etwas anfangen können, die den Film nie gesehen haben. 

Arnold Schwarzenegger in The Terminator (1984) © 2001 – MGM Home Entertainment 

„Zurück in die Zukunft“ (1985)

Darum geht’s: Der Teenager Marty McFly (Michael J. Fox) hat kein besonders aufregendes Leben in seiner kalifornischen Heimatstadt, was sich jedoch schlagartig ändert, als ihm sein Freund, der Wissenschaftler Dr. Emmett Brown (Christopher Lloyd), einen zu einer Zeitmaschine umgebauten Sportwagen präsentiert. Nachdem Doc Brown ein übles Schicksal ereilt hat, reist Marty mithilfe des wundersamen Autos versehentlich von seiner Gegenwart, dem Jahr 1985, in das Jahr 1955, wo er seinen jugendlichen Eltern begegnet. Fortan setzt er, unterstützt vom jüngeren Doc Brown, alles daran, seine Mutter und seinen Vater zusammenzubringen, um seine eigene Existenz nicht zu gefährden.

Damals toll, heute toll: Mit „Zurück in die Zukunft“ legte Robert Zemeckis eine schwungvoll-amüsante Mischung aus Science-Fiction-Film und romantischer Komödie vor, die auch heute, mehr als 35 Jahre nach ihrem Erscheinen, mit ihrer Fülle an witzigen Einfällen bei jungen und erwachsenen Menschen für leuchtende Augen sorgt. Auf spielerische Weise befasst sich Martys Geschichte, die zwei Fortsetzungen nach sich zog, mit den durch Zeitreisen verursachten, schon im Titel anklingenden Widersprüchen (siehe etwa das Grossvaterparadoxon) und lässt uns davon träumen, dass irgendein schlauer Kopf eines Tages wirklich einen Fluxkompensator (im englischen Originalton „Flux capacitor“) entwickelt, der im Film die Sprünge überhaupt erst möglich macht. Wer würde nicht gerne auch einmal in Doc Browns umgebautem Sportwagen Platz nehmen und damit durch die Jahrzehnte düsen?

Michael J. Fox and Christopher Lloyd in Zurück in die Zukunft (1985) © 1985 Universal

„Und täglich grüsst das Murmeltier“ (1992)

Darum geht’s: Der Fernsehwetterfrosch Phil (Bill Murray) hasst sein Leben und seine Mitmenschen. Seine Laune wird logischerweise auch nicht besser, als er abermals über den Murmeltiertag in der Kleinstadt Punxsutawney berichten soll. Zusammen mit seiner Aufnahmeleiterin Rita (Andie MacDowell) und seinem Kameramann Larry (Chris Elliott) schlägt er in der Provinz von Pennsylvania auf und verrichtet seine Arbeit mit demonstrativer Lustlosigkeit. Ein Schneesturm verhindert jedoch die geplante Abreise. Und Phil ist höchst irritiert, als er denselben Tag noch einmal durchleben muss. Nach und nach begreift er, dass er in einer Zeitschleife gefangen ist, während die Leute um ihn herum nichts davon mitbekommen.

Klassiker des Zeitschleifenfilms: Denkt man an Filme, in denen die Hauptfiguren in eine Zeitschleife hineingeraten, kommt man an Harold Ramis‘ moralischer Fabel „Und täglich grüsst das Murmeltier“ nicht vorbei. Die tragischen Aspekte des Gefangenseins in einem bestimmten Zeitraum, die Aussicht, sich nicht weiterentwickeln zu können, weil alles stets wieder auf Anfang springt, blendet die Komödie weitestgehend aus. Aus dem Dilemma des von Bill Murray überzeugend verkörperten Protagonisten ziehen Regie und Drehbuch aber viele gelungene Gags. Wie Phil durch seine Erfahrungen in und mit der Schleife beginnt, seine Haltung zu hinterfragen, und langsam zu einem anderen Menschen wird, verfolgt man bis zum romantischen Abschluss mit grosser Freude.

Und täglich grüsst das Murmeltier (1993) © IMDb

„Predestination“ (2014)

Darum geht’s: Für das in der Zukunft existierende Temporal Bureau reist ein Agent (Ethan Hawke) durch die Zeit, um verheerende Terroranschläge und Verbrechen zu verhindern. Dem berüchtigten Fizzle-Bomber kann der Mann bei einem Vereitlungsversuch allerdings nicht das Handwerk legen und trägt bei der Explosion gravierenden Verletzungen davon. Schwer gezeichnet soll er sich schliesslich im Auftrag seiner Behörde in die 1970er Jahre begeben, wo er, getarnt als Barkeeper, einem rätselhaften Gast (erinnert an den jungen Leonardo DiCaprio: Sarah Snook) begegnet, der ihm seine erschütternde Lebensgeschichte unterbreitet. Als die beiden gemeinsam noch weiter in der Zeit zurückgehen, kommen sie dem Bombenleger näher.

Mindfuck-Perle: In ihrem auf einer Kurzgeschichte von Robert A. Heinlein basierenden Mix aus Science-Fiction-Thriller und Period Picture treiben die regieführenden Zwillingsbrüder Michael und Peter Spierig die mit Zeitreisen verbundenen Paradoxien auf die Spitze. Was in der ersten Hälfte mit einem Gespräch inklusive ausführlicher Rückblenden beginnt, entwickelt sich im zweiten Abschnitt zu einer packenden Schnitzeljagd, die in eine furiose, augenöffnende finale Schnittabfolge mündet. Hinweise auf den Twist werden nebenbei immer wieder ausgestreut. Ein zweites Sehen lohnt sich aber allemal, um die clevere Konstruktion dieses Verwirrspiels zu erfassen. Dass der Film auf die Diskriminierung intersexueller bzw. transsexueller Menschen aufmerksam macht, ist löblich. Wie mancher Kritiker nach der Veröffentlichung anmerkte, ist die Darstellung der von Sarah Snook gespielten Figur allerdings nicht ganz unproblematisch.

Ethan Hawke in Predestination (2014) © 2014 – Signature Entertainment

„Palm Springs“ (2020)

Darum geht’s: Anders als seine Partnerin Misty (Meredith Hagner) geht Nyles (Andy Samberg) die Hochzeit ihrer guten Freundin Tala (Camila Mendes) mit wenig Begeisterung an. In seinem Hawaiihemd und seiner Badehose fällt er optisch klar aus dem Rahmen der feinen Festgesellschaft, erlaubt es sich aber trotzdem, das Mikrofon zu ergreifen und eine Rede über das Brautpaar zu halten. Während der Feier kommt er mit Talas älterer Schwester Sarah (Cristin Milioti) ins Gespräch, das schwarze Schaf der Familie. Als Nyles in der Wüste abseits der Party von einem Mann mit Pfeil und Bogen angegriffen wird, den er als Roy (J. K. Simmons) kennt, folgt Sarah den beiden zu einer geheimnisvoll rot leuchtenden Höhle und tritt trotz Warnungen ein. Plötzlich erwacht sie erneut am Morgen der Hochzeit und steckt fortan in einer Zeitschleife fest, in der sich Nyles schon seit längerer Zeit aufhält.

Ansteckende Sause: Wer hier nicht lachen kann, dem ist wahrscheinlich nicht zu helfen. Die von Andy Siara geschriebene und Max Barbakow inszenierte Fantasy-RomCom sprüht nur so vor Energie und bietet den beiden Protagonisten in ihrer verfahrenen Situation die Möglichkeit, enthemmt über die Stränge zu schlagen. Gespräche über Sinn und Bestimmung im Leben wechseln sich mit anarchischen Einlagen ab. Und immer mal wieder sorgt eine überraschende Wendung für eine neue Gemengelage. „Palm Springs“ funktioniert auch deshalb prächtig, weil sich die „How I Met Your Mother“-Unbekannte Cristin Milioti und Unterhaltungskünstler Andy Samberg gekonnt die Bälle zuwerfen. Dass der Film zum Ende hin deutlicher den Gesetzen von Werken wie „Und täglich grüsst das Murmeltier“ folgt, lässt sich dank der vorhergehenden knackig-einfallsreichen Achterbahnfahrt verschmerzen.

Palm Springs (2020) © IMDb

„Tenet“ (2020)

Darum geht’s: Nach einer fehlgeschlagenen Operation wird ein namenloser Agent (John David Washington), der glaubt, eine Selbstmordkapsel geschluckt zu haben, von der rätselhaften „Tenet“-Organisation angeworben, für die er den Dritten Weltkrieg verhindern soll. Die Bedrohung, die auf die Gegenwart zurollt, kommt, wie er erfährt, aus der Zukunft an und stützt sich auf eine Technologie, die die Entropie von Menschen und Objekten umkehren, sie also in der Zeit zurückbewegen kann. Gemeinsam mit seinem neuen Unterstützer Neil (Robert Pattinson) nimmt der Spion schließlich den russischen Oligarchen Andrei Sator (Kenneth Branagh) ins Visier.

Nolans jüngstes Puzzlespiel: Sehnsüchtig erwartet wurde „Tenet“ nicht nur, weil der Film als große Kinohoffnung im ersten Corona-Sommer galt. Gespannte Neugier herrschte vorab auch deshalb, weil herzlich wenig über das neue Werk des Blockbuster-Auteurs Christopher Nolan bekannt war. Würde er dem Publikum erneut ein hirnverdrehendes, mit anspruchsvollen Wendungen und fulminanten Actionchoreografien garniertes Erlebnis servieren? Auch wenn das Endergebnis seine Schwächen hat und nicht die beste Arbeit des in London geborenen Regisseurs und Drehbuchautor ist, kann man nur staunen, wie es ihm regelmäßig gelingt, komplizierte Ideen mit Spektakelelementen zu verbinden. „Tenet“ ist eine bombastische Kreuzung aus Science-Fiction- und Agentenstreifen, die eine neue Art des Zeitreisens auf die Leinwand bringt. Sollte man inhaltlich nicht durchblicken, kann man sich immer noch an den irrwitzigen rückwärts ablaufenden Kampf- und Verfolgungsszenen berauschen.

John David Washington, Robert Pattinson, and Jack Cutmore-Scott in Tenet (2020) © IMDb

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