Ein Mann und eine Frau in einem engen Raum

Vorsicht, Beklemmungsgefahr! Filme auf engem Raum

Beitrag von Christopher 18.08.2021 8 Minuten 0

Nicht anspruchsvoll, aber doch spannend genug, um etwas mehr als anderthalb Stunden passabel zu unterhalten: Auf dieses Fazit lässt sich der räumlich begrenzte Rätselthriller „Escape Room“ von 2019 herunterbrechen, der gegen Ende die Voraussetzungen für eine Fortsetzung schafft. Das Sequel steht nun in den Startlöchern und bietet uns die Gelegenheit, einige Kinofilme vorzustellen, die durch ihr beengtes Setting Klaustrophobikern den Angstschweiß auf die Stirn treiben dürften. Schon Meisterregisseur Alfred Hitchcock wusste in „Das Rettungsboot“ (1944) die Konzentration auf einen Schauplatz zu nutzen, um sein Publikum zu fesseln.

1. „Das Boot“ (1981)

Darum geht’s: Im Jahr 1941 geht der deutsche Kriegsberichterstatter Leutnant Werner (Herbert Grönemeyer) an Bord des U-Bootes U 96, das im Rahmen der Atlantikschlacht feindliche Schiffe versenken soll. Seine anfangs positive Stimmung reibt sich schon bald mit der Wirklichkeit unter Wasser. Die Stimmung innerhalb der Mannschaft ist konfliktträchtig. Und ständig lauert die Gefahr, selbst bombardiert zu werden.

Packend, weil… Jost Vacanos agile Handkamera den beengten U-Boot-Schauplatz für den Zuschauer auf intensive Weise erfahrbar macht und die Darstellerriege die unheilvolle Dynamik an Bord mit vollem Einsatz zum Ausdruck bringt. Wolfgang Petersens vielfach prämierte, in sechs Oscar-Kategorien nominierte Adaption des gleichnamigen Romans von Lothar-Günther Buchheim mag in ihren politischen Dimensionen diskutabel sein. In technischer Hinsicht ist der 32-Millionen-DM schwere Streifen aber ein Meilenstein des deutschen Kinos und gilt nicht zu Unrecht als bester je gedrehter U-Boot-Film, bei dem man den Schweiß der unter Strom stehenden Protagonisten beinahe riechen kann. Anteil an der nervenzerfetzenden Stimmung hat nicht zuletzt Klaus Doldingers treibende Musikuntermalung. Wer tatsächlich unter Klaustrophobie leidet, dürfte Petersens Bewerbungstitel für Hollywood eher nicht unbeschadet durchstehen.

Jürgen Prochnow, Herbert Gronemeyer, Klaus Wennemann, Hubertus Bengsch, Martin Semmelrogge – ©Bavaria Film 1981

2. „Cube“ (1997)

Darum geht’s: Sechs Menschen, die über ganz unterschiedliche Persönlichkeiten verfügen und sich nicht kennen, finden sich in einem aus vielen Würfeln zusammengesetzten Gebäude wieder und merken schnell, dass in manchen „Räumen“ tödliche Fallen auf sie warten. Der Grund für ihre Gefangennahme erschließt sich ihnen nicht. Und um das Labyrinth verlassen zu können, müssen sie an einem Strang ziehen. Dumm nur, dass sich die Anspannung mit fortlaufender Dauer in handfesten Konflikten niederschlägt. 

Packend, weil… uns Vincenzo Natali in ein surreales, farblich markant gestaltetes Setting versetzt, dessen scheinbare Ausweglosigkeit mehrfach das Schlechte im Menschen hervorbringt. „Cube“ besteht aus Versatzstücken, die man aus anderen Filmen kennt, die hier aber auf frische, produktiv mysteriöse Weise zu einem blutig-schweißtreibenden Rätselalbtraum verschmelzen. Dass im Angesicht des nackten Überlebenskampfes moralische Grundsätze zügig über Bord fliegen können, macht die experimentelle Independent-Produktion vor allem am Beispiel der Polizistenfigur deutlich. Eine eigenwillige, konstant unbehagliche Atmosphäre stellt sich auch deshalb ein, weil der Regisseur nicht der Versuchung erliegt, die Außenwelt zu zeigen oder eindeutige Erklärungen anzubieten. Minimalismus kann so aufregend sein!

Nicole de Boer and Maurice Dean Wint in Cube (1997) – © IMDb

3. „The Descent – Abgrund des Grauens“ (2005)

Darum geht’s: Ein Jahr nach einem tragischen Autounfall, bei dem Sarah (Shauna Macdonald) ihre kleine Tochter und ihren Mann verloren hat, ringt sie sich zu einem Erlebnistrip mit einigen Freundinnen durch. In der Abgeschiedenheit der Appalachen unternehmen die sechs Frauen eine Höhlenexpedition, die allerdings rasch lebensbedrohliche Züge annimmt. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass der Ausgang plötzlich verschüttet wird, erkennen die eingeschlossenen Abenteuerinnen irgendwann auch noch, dass in den schmalen Gängen eigenartige Kreaturen auf frische Beute lauern.

Packend, weil… Regisseur und Drehbuchautor Neil Marshall das losbrechende Grauen geschickt vorbereitet. Fast hat es den Anschein, als hätte er sich Ridley Scotts Science-Fiction-Klassiker „Alien“ (1979) zum Vorbild genommen, dessen ausführliche Exposition der Garant dafür ist, dass wir ernsthaft um die Protagonistin Ellen Ripley (Sigourney Weaver) bangen. Auch „The Descent – Abgrund des Grauens“ haut uns nicht gleich in den ersten zehn Minuten Schockeffekte um die Ohren, sondern vermittelt uns ein Gefühl für die Frauenclique und verfolgt akribisch ihren Einstieg in die Höhle. Erst nach der Hälfte sind die im Handlungsabriss erwähnten blutdurstigen Geschöpfe zu sehen, die fortan Jagd auf Sarah und ihre Freundinnen machen. Der Film spielt mit der menschlichen Urangst vor der Dunkelheit, überträgt in vielen Momenten die Desorientierung der Figuren direkt auf den Zuschauer und punktet mit einem in den altehrwürdigen Pinewood Studios errichteten Höhlensystem, das zu keinem Zeitpunkt künstlich erscheint. Unter dem Strich zählt Marshalls blutig-dreckiger Schocker zu den unangenehmsten Leinwanderfahrungen im modernen Horror- und Thrillerkino.

Saskia Mulder and MyAnna Buring in The Descent (2005) – © IMDb

4. „Buried“ (2010)

Darum geht’s: Der aus den USA stammende Lastwagenfahrer Paul Conroy (Ryan Reynolds), der im Irak seiner Arbeit nachgeht, erwacht in einer Holzkiste, die nicht viel größer ist als er, und begreift voller Entsetzen, dass er lebendig begraben wurde. Nur langsam kann er sich daran erinnern, dass Aufständische seinen Konvoi angegriffen haben. Über ein neben ihm liegendes Handys versucht er, Rettungsmaßnahmen in die Wege zu leiten, erhält aber zunächst nur wenig Unterstützung. Einer seiner Entführer meldet sich schließlich mit einer Lösegeldforderung, während der Sauerstoff im Sarg von Minute zu Minute knapper wird. 

Packend, weil… Regisseur Rodrigo Cortés die Angst vor dem Gefangensein und vor dem Ersticken so konsequent wie irgend möglich in seinem extrem begrenzten Handlungsraum etabliert und Ryan Reynolds als entsetzter, nach Auswegen suchender, immer wieder zurückgeworfener Normalo eine mitreißende Performance hinlegt. Eingefangen wird der Überlebenskampf des Protagonisten in langen Einstellungen, die darstellerische Disziplin erfordern, und krassen Nahaufnahmen, aus denen uns Pauls Verzweiflung regelrecht anspringt. Sich hier zurückzulehnen und emotional abzuschalten, ist eigentlich unmöglich. „Buried“ beweist, dass die von Alfred Hitchcock geäußerte Idee eines komplett in einer Telefonzelle spielenden Films trotz aller Beschränkungen enormen Nervenkitzel produzieren kann. Auch wegen seines aufwühlenden Endes brennt sich das Thrillerdrama nachhaltig ins Gedächtnis ein.

Ryan Reynolds in Buried (2010) – © IMDb

5. „10 Cloverfield Lane“ (2016)

Darum geht’s: Nach der Trennung von ihrem Freund fährt Michelle (Mary Elizabeth Winstead) in ihrem Auto ziellos durch die Nacht. Im Radio hört sie von eigenartigen Stromausfällen und wird plötzlich in einen Unfall verwickelt, durch den sie das Bewusstsein verliert. Als sie wieder zu sich kommt, findet sie sich angekettet in einem fensterlosen Raum wieder, der Teil einer Bunkeranlage ist. Ein Mann namens Howard (John Goodman) gibt sich als ihr Retter aus und erzählt ihr von einem chemischen oder nuklearen Angriff, der die Atmosphäre vergiftet habe. Bestätigt wird seine Behauptung von seinem Bekannten Emmett (John Gallagher Jr.), der ebenfalls in der unterirdischen Behausung Zuflucht gefunden hat. Michelle ist dennoch misstrauisch und will den Bunker so schnell wie möglich wieder verlassen.

Packend, weil… der Kammerspielthriller, dessen Verbindung zum Monsterstreifen „Cloverfield“ (2008) bis kurz vor seiner Veröffentlichung geheim gehalten wurde, von Anfang an mit der Möglichkeit spielt, dass Howards Schilderungen nicht der Wahrheit entsprechen. Ebenso wie Michelle, die nach ihrem Aufwachen zunächst verwirrt ist, beäugt man ihren vermeintlichen Retter mit großer Skepsis: Ist Howard vielleicht nur ein durchgeknallter Verschwörungsanhänger? Oder schlimmer noch: Ein gemeingefährlicher Psychopath, der die junge Frau entführt hat, um sie zu seiner Gefangenen zu machen? Das Zusammenleben in den unterirdischen Schutzräumen ist jedenfalls von Spannungen geprägt, die den Zuschauer in einen permanenten Alarmzustand versetzen. Dass der größtenteils auf drei Personen konzentrierte Film keine Langeweile aufkommen lässt, liegt auch und vor allem an den die Drucksituation überzeugend transportierenden Darbietungen des kleinen Ensembles. Erst gegen Ende weicht die klaustrophobische Atmosphäre einer nicht mehr ganz so eindringlichen Entwicklung, die den Unterhaltungswert aber nur leicht nach unten zieht.

https://www.teleboy.ch/search?query=title:10%20Cloverfield%20Lane

6. „The Guilty“ (2018)

Darum geht’s: Kurz vor einer wichtigen Anhörung nimmt der in eine Notrufzentrale strafversetzte Polizist Asger Holm (Jakob Cedergren) den Anruf einer panischen jungen Frau namens Iben entgegen, die offenbar entführt wurde und dem neben ihr im Auto sitzenden Täter nun vorgaukelt, sie telefoniere mit ihrer Tochter. Asgers Beschützerinstinkt ist umgehend geweckt. Und so versucht er, anhand kleiner Indizien ihren Aufenthaltsort einzukreisen. Einige Vorschriften muss er dabei über Bord werfen.

Packend, weil… uns der von Gustav Möller inszenierte und mitgeschriebene Film vom Start weg an die eingeschränkte Perspektive des Protagonisten bindet und Hauptdarsteller Jakob Cedergren die 85-minütige Achterbahnfahrt souverän trägt. Sein Gesicht ist in fast jeder Einstellung im Bild, wird stets aus nächster Nähe gezeigt, weshalb jede noch so kleine Regung sitzen muss. Gekonnt füttert der dänische Thriller, der die Notrufzentrale nie verlässt, über die Gespräche zwischen Asger und Iben das Kopfkino des Zuschauers. Weil „The Guilty“ uns den Blick nach außen verwehrt, macht sich eine bedrückende Ungewissheit breit. Die Hilflosigkeit der Hauptfigur ist in manchen Momenten mit Händen zu greifen. Und das im Hintergrund wabernde Fehlverhalten Asgers verstärkt noch einmal die emotionale Fallhöhe. Wenn Möller am Ende mit einer niederschmetternden Offenbarung um die Ecke biegt, hat man wirklich das Gefühl, den Boden unter den Füßen weggezogen zu bekommen. Für ein nervenaufreibendes Filmerlebnis braucht man – das beweist der Film eindrücklich – keine großen Actionszenen oder Schauplatzwechsel. Manchmal reicht ein clever konstruiertes Drehbuch schon aus, um uns zu Gefangenen zu machen. 

Jakob Cedergren in The Guilty (2018) –© IMDb

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